„Es gibt nichts Vergleichbares!“

Mit unserem Frauenkursprogramm möchten wir Frauen ermöglichen, sich selbst zu helfen, Spaß an handwerklicher Arbeit zu entwickeln, Kosten zu sparen und als Vorbilder in ihr eigenes Umfeld zu wirken. Gelingt uns das? Wir haben Britta Schattan gefragt.

Liebe Frau Schattan, Sie besuchen seit einigen Jahren regelmäßig unsere Kurse. Wie ist es dazu gekommen?

B. Schattan: Vor einigen Jahren ist mein Mann verstorben. Anfangs habe ich immer Freund*innen um Hilfe gefragt, wenn es etwas zu reparieren gab. Dazu hatte ich aber keine Lust mehr. Ich wollte lernen, Reparaturen selbst zu erledigen. Dabei bin ich auf das Handwerkerinnenhaus gestoßen.

Sie haben den Kurs ‚Reparaturen im Haus(halt)‘ gemacht?

B. Schattan: Das war mein erster Kurs bei Ihnen vor sechs Jahren. Ich kam in die Werkstatt und es war ein anheimelndes, schönes Gefühl. Ich habe mich direkt wohlgefühlt. Der Kurs war super, es war alles dabei, um die kleinen Reparaturen danach zuhause durchführen zu können: Wenn das Heizungsventil zu ist, die Schranktür kaputt oder man ein Bild mit Dübeln aufhängen muss.

Wie wichtig ist es für Sie, dass Frauen unter sich bleiben?

B. Schattan: Ich habe mal bei einer ‚Ladies Night‘ im Baumarkt teilgenommen. Der Mann war nett und freundlich, aber immer ein bisschen von oben herab: Ich zeige euch mal, wie es geht, aber am Ende, so sagte er, machen es ja sowieso die Männer bei euch… Am Anfang hatte ich einfach eine Scheu vor den schweren Arbeitsgeräten und Maschinen. Männer können kräftemäßig ganz anders damit umgehen. Die halten eine Flex ganz anders als wir Frauen. Bei Ihnen wurde uns die Technik erklärt und worauf wir achten müssen. Und dann konnten wir sehr gut und selbständig, ohne Angst mit dem Werkzeug und den Maschinen arbeiten.

Mit welchen Rollenbildern sind Sie groß geworden?

B. Schattan: Ich bin im Vier-Generationenhaus groß geworden. Es war immer klar, dass die Männer für die handwerklichen Arbeiten zuständig waren. Ich habe das gar nicht infrage gestellt. Es war selbstverständlich, dass man dafür einen Mann gefragt hat. In der Schule wurden wir aufgeteilt: Die Jungen gingen in die Werkstatt, die Mädchen zum Häkeln. Bei Ihnen habe ich dann festgestellt, wieviel Spaß es macht, mit der Stichsäge oder mit der Bohrmaschine zu arbeiten und gedacht, dass ich das auch schon viel früher hätte machen können.

Welche Kurse haben Sie noch besucht?

B. Schattan: Ich arbeite sehr gerne mit Holz. Stichsägearbeiten sind z.B. toll. Die Kurse sind leider immer schnell ausgebucht. Ich würde auch gerne mehr machen, aber ich möchte anderen Frauen, die noch keinen Kurs gemacht haben, nicht den Platz wegnehmen. Ich habe mir für zuhause eine Stichsäge und ein Schleifgerät gekauft und mache hier z.B. kleine Sterne, Küchen- und Dekorationsbrettchen in verschiedenen Blattformen oder Kölner Dome. Gemeinsam mit anderen ist es natürlich schön, ich genieße die Zeit in Ihrer Werkstatt.

Jetzt habe ich das Schrottschweißen entdeckt. Mit diesen alten verrosteten Sachen neue Dinge herzustellen, mit der Flex und dem Schweißgerät zu arbeiten, dreckig zu werden… Andrea (Kursleiterin) macht das erstklassig, so leidenschaftlich. Das ist einfach toll. Es gibt nichts Vergleichbares!

Es haben sich schon einige Werkstücke bei Ihnen angesammelt?

B. Schattan: Auf jeden Fall. Kerzenständer für Teelichter, Küchenbrettchen in Blattform, viele Gebrauchsgegenstände und Dekosachen, ein kleines Regal. Es ist einfach ein tolles Gefühl, wenn man ein Ergebnis in der Hand hat, immer mit einem Ergebnis nach Hause geht. Es macht einfach glücklich zu wissen: Das habe ich selbst gemacht. Darauf bin ich auch immer wieder stolz. UND: Es bereitet auch große Freude Freunden Selbstgemachtes aus Holz und Schrott zu schenken; Dinge, die es nicht zu kaufen gibt.

Wir hoffen, dass unsere Teilnehmerinnen als Multiplikatorinnen und Vorbilder in ihr Umfeld wirken. Wie ist es bei Ihnen?

B. Schattan: Ich bin in einem Wanderverein mit Frauen und Männern verschiedener Altersgruppen. Alle, insbesondere aber die Frauen sind immer begeistert von meinen Werkstücken. Sie fangen an, darüber nachzudenken, sich auch handwerklich zu betätigen und verlieren die Scheu, die Berührungsängste. Und die Männer: Die sind schwer beeindruckt und der ein oder andere hat seine eigene „veralterte“ Ansicht der Rollenverteilung überdacht. Ich habe auch mein Patenkind mit zu Ihnen genommen. Es ist so wichtig, dass die junge Generation anders als wir ganz selbstverständlich damit aufwächst, dass Handwerk natürlich auch was für Frauen ist.

Warum finden sie unser Angebot speziell für Mädchen so wichtig?

B. Schattan: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass Mädchen einen Raum ohne Jungen für sich haben. Eine sichere Umgebung, in der sie sich auf sich selbst konzentrieren können, keine Angst haben müssen vor Kommentaren und in der Gemeinschaft merken, was man schaffen kann. Durch die handwerkliche Arbeit entwickeln sie ein Selbstbewusstsein und sie merken vielleicht, dass ihr Weg auch ins Handwerk führen kann. Es stärkt auf jeden Fall ihr Selbstbewusstsein, auch um sich im sozialen Umfeld behaupten zu können. Gerade bei den Mädchen, in dem Alter, in der Pubertät ist es so wichtig, dass sie Lob, Anerkennung erhalten. Und das bekommen sie, wenn sie ein Werkstück ganz alleine gemacht haben.

B. Schatten: Ich kann nur allen Mädchen und Frauen empfehlen, sich handwerklich bei Ihnen auszuprobieren. Dazu braucht es keinen bestimmten Auslösungsgrund, sondern einfach nur Neugierde und Offenheit um Neues auszuprobieren.

Das Interview führte Mira Sin.